Peter Paul Leutscher ist Partner der RedZebra Group. Ihre Mission: „Das Entwickeln einer zielorientierten Führungskultur und von schlagkräftigen Unternehmen in einer Gesellschaft, die sich permanent verändert“. Peter Paul hat als Geschäftsführer und Berater über 30 Jahre Erfahrung mit Veränderungen in Unternehmen. Hier berichtet er über dieses Thema aus der Perspektive seiner Funktion als Mitglied der Geschäftsführung. „You need to become the change you want to see”.
„Nur um die Perspektive gerade zu rücken: In diesem Unternehmen gab es 400 Mitarbeiter, bei einer Gesamtzahl von ca. 70.000 weltweit. Ein großer Fisch zwar in unserem Land, aber weniger groß, wenn man auf das gesamte Unternehmen schaut. Der damalige Vorsitzende der Geschäftsführung und ich als Geschäftsführer für Business Development waren durchaus auf einer Linie, was die Vision auf die Veränderungen innerhalb des eigenen Unternehmens anging. Wir starteten das Projekt Delphin, mit der Art, wie Delphine miteinander kommunizieren, als Metapher für Kommunikation, das gemeinsame Angehen einer Herausforderung und das Schaffen eines Gefühls der Einheit. Mit der Methodik von Richard Barrett führten wir umfangreiche Untersuchungen zum Inhalt der Unternehmenskultur unseres Unternehmens durch. Welche persönlichen Werte hat man und welche Werte findet man im Unternehmen vor, abgesehen von der Tatsache, dass man als Unternehmen Geld verdienen will und muss? Die Ergebnisse waren nicht gerade positiv. Sie standen auch im Widerspruch zu der Vision oder besser gesagt zu dem eigenen Bild, das man in der Hauptverwaltung von sich hatte. Die Untersuchung verschwand in der Schublade und die Empfehlungen wurden nicht umgesetzt. Am Ende habe ich dann das Managementteam verlassen. Etwa acht Monate später stellte sich heraus, dass wir doch vieles richtig gesehen hatten. Das Unternehmen wurde von einer Integritätskrise erfasst, es gab Fälle eines „nicht integren Verhaltens“ in der Hauptverwaltung und wir haben es nur knapp überstanden. Das kostete das Unternehmen mehr als eine Milliarde Euro Bußgeld, und der Unternehmenswert reduzierte sich um ein Vielfaches davon. Vielleicht erinnern Sie sich noch an den Enron-Skandal, an dem die frühere Wirtschaftsprüferkanzlei Arthur Andersen beteiligt war. Bei Enron wurde im großen Maßstab betrügerisch gehandelt. Zwei Partner von Arthur Andersen wussten davon, haben aber einfach mitgemacht. Das hat dann zum Untergang beider Unternehmen geführt. Der Skandal kam erst dadurch ans Licht, dass eine Mitarbeiterin von Enron die Sache bekannt machte.
„Allgemein gesagt: Wenn man merkt, dass ein Unternehmen sehr stark auf kurzfristige Renditen ausgerichtet ist und da weiter nicht viel vorhanden ist, wird es schwierig. „Culture eats strategy for Breakfast“. Die angelsächsische Shareholder-Value-Mentalität ist an sich nicht falsch, solange sie nicht zum Verbrauch des Verdienstpotentials (also: der eigenen Mitarbeiter) führt. Wenn das allerdings der Fall ist, wird auch nicht auf den Input von der Arbeitsebene gehört, und dann geht es häufig schief. Das mittlere Management muss häufig im Spagat führen. Die wahre Geschichte wird dann in der Kaffeeküche erzählt, aber niemand wagt es, öffentlich den Mund aufzumachen. Das bekannte Phänomen einer Angstkultur. Die Spitze hört nichts, merkt nichts, und setzt als Medizin nur darauf, alles noch mehr auf Effizienz und Kostenersparnis zu trimmen. Langsam aber sicher wird so die Seele aus dem Unternehmen heraus gemanagt. Die Wahrnehmung der Spitze ist häufig „Die jammern doch immer, übernehmen keine Verantwortung und geben nicht ihr Bestes“. Also: Die sind nicht o.k., aber wir an der Spitze sind o.k. Letzten Endes sind die Gesellschafter selbst für die Wertvernichtung verantwortlich, weil sie die Leute an der Spitze einstellen und ihnen Ziele vorgeben. Das Belohnungssystem ist davon abhängig.
Wie wichtig ist Business Agility für den Fortbestand eines Unternehmens? Und wie unterscheidet sich die Einführung des agilen Arbeitens von einer traditionellen Veränderung des Unternehmens?
„Meine Meinung ist, dass wir uns früher auch schon mit Agility beschäftigt haben, auch wenn wir das nicht so nannten. Bisher haben wir immer gesagt, dass wir mehr unternehmerische Initiative, mehr autonomes Verhalten von den Mitarbeitern erwarten. Wenn man sich die Zeit nahm, darauf zu hören, was die Leute wirklich zu erzählen hatten, konnte man damals schon sehen, dass man dann bei Dingen landete, die für die Anpassung und den Fortbestand eines Unternehmens sehr wertvoll sind.”
„Absolute Rahmenbedingung war und ist ein ausreichendes Maß psychologischer Sicherheit in der Gruppe. Nur dann melden sich die Leute mit ihren Verbesserungsvorschlägen. So kann man mit Leuten reden, die noch nie das Wort ergriffen haben, weil sie sich bisher nicht sicher gefühlt haben. Wenn es anders ist, lassen die Leute sich nicht in die Karten sehen. Es ist notwendig, dass der Managementstil der Führungsebene diese Sicherheit – durch die garantierte Anonymität – auch unterstützt. Aber auch, dass die Geschäftsleitung oder das Managementteam sich mit den Ergebnissen auseinandersetzt. Auch wenn das zu persönlichen Konsequenzen führt. „You need to become the change you want to see“, wie ich bereits gesagt hatte. Wenn man mit Informationen konfrontiert wird, die bei den eigenen Mitarbeitern erfasst wurden, muss man schon ein Hinterwäldler sein, um diese Informationen zur Seite zu legen, wenn sie einem selbst nicht passen. „The truth will set you free, but will piss you off first“. Die Transition eines Unternehmens ist immer mit Schmerzen verbunden, weil man sich vom Altgewohnten verabschieden muss. In einem hierarchischen Unternehmen ist das Beispiel, das die Spitze gibt, von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Wenn es eine Kultur darstellt, dass irgend jemand die Schuld gegeben wird, werden die Leute schon von selbst ängstlich. Sich von einer solchen Kultur zu lösen, ist ein großer Gewinn.” Viele Unternehmen experimentieren schon seit Jahren mit dem Gedankengut in „The Just Culture“ von Sydney Dekker. Leider zählt das aber noch nicht zum allgemein anerkannten Teil des Skripts für die heutige Wirtschaft und staatliche Einrichtungen.
“If there is a lack of movement at the top, for looking in the mirror and also scrutinising one’s own leadership style, then nothing will happen. That’s one thing. However, if you collect stories from your own people with such research, then as management it is hard for you to maintain that it is nonsense. If you fail to take these outcomes seriously, where are you guiding as management? Middle management is really always trapped. Here, is it also important how autonomously and self-assuredly a manager takes his role. A weak manager simply copies the story from MT. A strong manager takes due consideration of his team interest and ensures that his department within the organisation is a driving force. Stubborn but with good results, that sort of thing.”
„Agile Sensing verschafft einem Unternehmen die Möglichkeit, die Unterströmung ans Licht zu holen und damit etwas in Gang zu setzen. Voraussetzung dafür ist, dass das Managementteam sich dabei im Voraus engagiert. Außerdem leistet Agile Sensing natürlich einen Beitrag zur Verknüpfung der stets als elementar geltenden Linien zwischen der Spitze und den weiteren Ebenen des Unternehmens. Das ist sicher für jeden erst einmal eine Konfrontation, wenn man so die Hosen herunter lassen muss. Aber ich bin davon überzeugt, dass es eine sehr willkommene, vielleicht sogar unverzichtbare Informationsquelle für erfolgreiche Unternehmen ist. Wie bereits gesagt: Die Transformation von Unternehmen ist kein Kinderspiel. Wenn die herrschende Elite, die es sich schön eingerichtet hat, nicht dazu bereit ist, mit einer offenen, positiven Haltung in den Spiegel zu schauen, kann man jede Transformation eigentlich gleich abschreiben. Es beginnt mit persönlicher Führung.”
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